Thesen

  1. Eine demokratische Gesellschaft lebt von der Meinungsvielfalt. Radikale Auffassungen und Bestrebungen (die von den vorherrschenden Meinungsbildern abweichen) sind deshalb nicht nur zulässig, sondern auch wünschenswert – solange die Grenzen zur Strafbarkeit bzw. zu gewalttätigem Handeln nicht überschritten werden. Staatliche Behörden dürfen derartige Äußerungen weder als „verfassungsfeindliche“ oder „extremistische“ Bestrebungen abqualifizieren, beobachten oder gar verfolgen. Wir brauchen kein staatliches „Frühwarnsystem” zur Beobachtung derartiger Auffassungen und Bestrebungen.
  2. Geheimdienstlicher Verfassungsschutz ist schädlich, wie auch die zahlreichen Verfehlungen und Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik zeigen. Es handelt sich dabei nicht um zufällige, persönliche oder vermeidbare Fehler, sondern systematisch bedingte Mängel eines behördlichen „Verfassungsschutzes“.
  3. Die gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden sind überflüssig. Bei ihrem Wegfall entsteht keine Sicherheitslücke. Eine Aufgaben- und Befugnisüberleitung von den Verfassungsschutzbehörden auf die Polizei ist daher nicht erforderlich. Der Schutz vor Gewalt und Straftaten obliegt der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Gerichten.
  4. Eine Kontrolle geheim arbeitender Verfassungsschutzbehörden, die rechtsstaatlichen und demokratischen Ansprüchen genügt, ist nicht möglich. Sie bleibt ein Widerspruch in sich.
  5. Die Verfassungsschutzbehörden sind ersatzlos abzuschaffen. Gerade in Zeiten knapper Kassen sollten wir nicht jährlich eine halbe Milliarde Euro für überflüssige, ja schädliche Behörden ausgeben. Es bedarf auch keiner ersatzweisen, mit offenen Quellen arbeitenden staatlichen Informations- und Dokumentationsstelle über extremistische Bestrebungen. Das Problem besteht nicht in einem mangelnden Wissen über radikale, bisweilen auch menschenverachtende Meinungen und Haltungen in unserer Gesellschaft. Die Auseinandersetzung darüber muss mit politischen, demokratischen Mitteln geführt werden, sie ist innerhalb der Gesellschaft zu führen.

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