Geheimdienst raus aus den Schulen!
Der deutsche Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ tritt seit einigen Jahren vermehrt mit so genannten Informationsveranstaltungen an Schulen in Erscheinung und erstellt Schulmaterialien. Es gibt gute Gründe für einen Schulverweis für den Geheimdienst – auch an Ihrer Schule.
Ein Geheimdienst ist kein guter Aufklärer in Sachen Demokratie
Die Skandale rund um NSU und NSA zeigen, dass der Inlandsgeheimdienst praktisch nicht kontrollierbar ist. Das macht ihn zu einem blinden Fleck in unserer Demokratie. Warum soll gerade diese Institution Schüler/innen den Schutz unserer Demokratie erklären?
Ein demokratischer Staat wird von seinen Bürger/innen gestaltet und kontrolliert. Ein Geheimdienst, der definiert, wer oder was verfassungsfeindlich ist, und damit in „Verfassungsschutzberichten“ an die Öffentlichkeit geht, ist undemokratisch. Die Stigmatisierung als „demokratiegefährdend“ kann für die Betroffenen weitreichende Folgen haben. Es entsteht eine Kultur des Verdachts, der Zensur und des Misstrauens.
Verstoß gegen pädagogische Grundsätze
Im Beutelsbacher Konsens von 1976 wurden drei Standards politischer Bildungsarbeit festgehalten: Manipulationsverbot, Kontroversitäts- und Meinungsbildungsgebot. Ein/e Geheimdienstler/in verstößt als Bildungsreferent/in gegen alle diese Grundsätze. Inhalte sollen in pluralistischer Perspektive dargestellt werden und Standpunkte hinterfragbar sein. Der Geheimdienst hingegen tritt als staatliche Autorität auf, gibt seine eigene Position unhinterfragbar wieder und hält den Grundsatz der wissenschaftlichen Überprüfbarkeit nicht ein. Außerdem wird ein/e Mitarbeiter/in des „Verfassungsschutzes“ schwerlich über die Skandalgeschichte der Behörde berichten, über die fehlende Aufklärung der NSU-Morde oder die Weitergabe von Daten an die NSA.
Als staatlicher Akteur ist der Inlandsgeheimdienst von bestehenden Machtverhältnissen und politischen Vorgaben abhängig. Er ist politisch nicht neutral.
Fehlender Bildungsauftrag, Deutungshoheit und unüberprüfbares Wissen
Die Aufgaben des Inlandsgeheimdienstes sind in § 3 BVerfSchG und in den Landesgesetzen geregelt: Informationen über Bestrebungen „gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ sammeln und auswerten. Unter dem Deckmantel der Öffentlichkeitsarbeit mischt sich der Geheimdienst vermehrt in politische Bildungsarbeit ein – obwohl er keinen gesetzlichen Auftrag dazu hat.
Der „Verfassungsschutz“ tritt im Klassenzimmer als staatliche Autorität auf. Mit Schüler/innen und Lehrer/innen diskutiert er nicht auf gleicher Augenhöhe. Der Staat besteht für ihn aus Institutionen, die er mit geheimdienstlichen Mitteln zu schützen hat – bürgerschaftliches, politisches Engagement erscheint ihm schnell als Gefahrenpotential. Er hält dabei an einem Extremismuskonzept fest, das wissenschaftlich unhaltbar ist und in der Bildungsarbeit keine sinnvollen Analysen erzielen kann: Hier die „gute“ politische Mitte, dort die „bösen“ Extremist/innen. Dieses Konzept wirft nicht nur die verschiedenen abweichende Meinungen in einen Topf und diskreditiert sie, es verharmlost auch die Gefahren, die aus der Mitte der Gesellschaft kommen, z.B. Rassismus und Homophobie.
Der Geheimdienst legt seine Informationsquellen nicht offen. Was der/die Geheimdienstler/in im Klassenzimmer verbreitet, kann von Schüler/innen und Lehrer/innen nicht nachgeprüft werden und hält damit keinen wissenschaftlichen Kriterien stand. Tiefergehende Diskussion und Kritik sind so nicht möglich.
Die Argumente können Sie hier herunterladen (pdf).
Hier finden Sie die Broschüre „Bildung ohne Geheimdienst“ (2013), Eine Handreichung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltungen, Schulen und der Jugend- und Sozialarbeit, Hrsg: Demokratisches JugendFORUM Brandenburg e.V. (DJB), JungdemokratInnen/Junge Linke Landesverband Brandenburg, JugendbildungsNetzwerk bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
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