Ausgeschnüffelt: Unsere Erfolge 2014

Verfassung schützen – Geheimdienst abschaffen: Was hat sich getan?
Drei Jahre nach dem Auffliegen des NSU und über ein Jahr nach den Enthüllungen von Edward Snowden zur Massenüberwachung der Geheimdienste ist der Verfassungsschutz noch immer fest im Sattel. Unsere guten Gründe, den „Verfassungsschutz“ abzuschaffen, hat die Bundesregierung nicht in die Tat umgesetzt. Im nächsten Jahr bekommt er sogar 10 Prozent mehr Bundesmittel, die wir Steuerzahler/innen für unsere eigene Überwachung zahlen dürfen.

Doch es tut sich was im rebellischen Osten: Die neue rot-rot-grüne Regierungskoalition in Thüringen hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, den Landesgeheimdienst auf den Prüfstand zu stellen und eng an die Kette zu nehmen: V-Leute sollen nur im Sonderfall eingesetzt werden, der Geheimdienst soll nicht mehr parallel zur Polizei arbeiten und an Schulen soll der Geheimdienst keine Bildungsarbeit mehr machen. Wir sind sehr gespannt, was davon im kommenden Jahr umgesetzt wird. Bekommen wir den Thüringer „Verfassungschutz“ zum wackeln?

Bild von der Demonstration

Auftakt zur Kampagne „Verfassungsschutz abschaffen!“

Was ausgeschnüffelt erreicht hat
Anfang Februar 2014 starteten wir die Kampagne „ausgeschnüffelt“ mit Aktiven der Humanistischen Union. In den vergangenen Monaten haben wir es immer wieder geschafft, den Teppich zu lüften, unter den die Geheimdienstaffären fleißig gekehrt werden. Als der Skandal tausendfacher illegaler Speicherungen von Personendaten beim niedersächsischen „Verfassungsschutz“ ans Licht kam, forderten wir die übrigen Bundesländer auf, ihre Personendaten durch eine unabhängige Kommission überprüfen zu lassen.
In zwölf Bundesländern machten sich Aktive der Humanistischen Union daran, Briefe an ihre Abgeordneten zu formulieren. Von etlichen erhielten wir Antwort. In Thüringen soll es nun wirklich eine Überprüfung aller Personendaten beim Landesamt für Verfassungsschutz geben.

Was für ne Party: Geheimdienstler endlich in Rente!

Was für ne Party: Geheimdienstler endlich in Rente!

Mehrfach erreichten wir Öffentlichkeit und Medien mit fantasievollen Aktionen. Wir sorgten dafür, das Interesse an Konsequenzen aus den NSU-Morden wachzuhalten: mit Aktionen zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses vor dem Bundestag, vor dem NSU-Prozess in München zur Anhörung eines Verfassungsschutzbeamten und zum Gedenken an das NSU-Opfer Halit Yozgat in Kassel, der im Beisein eines Verfassungsschutzbeamten ermordet wurden. Und wir setzten unsere Forderung frech in die Tat um: in Hannover schlossen wir das Verfassungsschutzamt mit Absperrband. Vor seiner Dependance in Berlin schickten wir den Verfassungsschutz zu seinem 64 Jahrestag in Frührente.

Bodo Ramelow, erster Linker Ministerpräsident in Thüringen, ist bisher unser prominentester Interviewpartner in der Videoserie „Unbescholten überwacht“. Kurz vor seiner knappen Wahl empfing er uns in seinem Büro in Erfurt, um von seiner 30-jährigen Überwachung und der erfolgreichen Klage dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht zu erzählen:

Fünf weitere Videos sind gedreht und in etlichen Steckbriefen stellen wir Personen vor, die unrechtmäßig vom Inlandsgeheimdienst überwacht wurden. Hier können Sie sie kennen lernen.

Als die Bundesregierung das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Trennung von Personendaten bei Polizei und Geheimdiensten außer Acht lassen und die Nutzung geheimpolizeilicher Datenpools ausweiten wollte, hielten wir dagegen und machten den Grundrechtsbruch öffentlich: wir starteten eine Petition und schickten Expertenbriefe an die Abgeordneten des Innenausschusses. Die Regierungsparteien stimmten dennoch gegen eine Aushöhlung des Trennungsgebots. In Dateien wie der Anti-Terror-Datei kann die Polizei jetzt persönliche Daten auswerten und Netzwerkanalysen durchführen. Sogar zu jahrelangen Rechercheprojekten mit Geheimdienstdaten sind sie befähigt.

Die Arbeitsgruppe „Schule ohne Geheimdienst“ hat unsere guten Argumente, den Verfassungschutz nicht ins Klassenzimmer einzuladen, an alle Berliner und einige Brandenburger Oberschulen geschickt. Gerade erstellen wir eine Liste von Bildungsträgern, die Schüler/innen kompetenter als der Geheimdienst in Sachen Demokratie und Extremismus beraten können. Im kommenden Jahr wollen wir mit einzelnen Schulen Kontakt aufnehmen, damit sie zu „Schulen ohne Geheimdienst“ werden können.

2015: Die Kampagne ins Land tragen
Für das neue Jahr haben wir uns vorgenommen, die Kampagne „ausgeschnüffelt“ ins Land zu tragen – mit vielen Angeboten für regionale Gruppen. Ideen sind z.B. ein Videoabend mit Diskussion zum Film „Der blinde Fleck“ über die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in das Oktoberfestattentat. Die Ausstellung „Versagen mit System“ zu Geschichte und Wirken des Verfassungschutzes des Forums für kritische Rechtsextremismusforschung wollen wir in verschiedene Städte bringen – die Humanistische Union Berlin macht im Januar und Febraur den Anfang. Und wir wollen weitere Fälle der unrechtmäßigen Überwachungspraxis des Geheimdienstes aufdecken. Dafür stellen wir Anträge auf Datenauskünfte und veröffentlichen (anonym) die Ergebnisse.

Bleiben Sie weiter auf dem Laufenden und unterstützen Sie unsere Kampagne. Tragen Sie sich hier in den monatlichen Newsletter ein oder schreiben Sie direkt an kampagne@humanistische-union.de, wenn Sie aktiv werden wollen. Ich wünsche Ihnen allen schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

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