Entweder Sozialist oder Deutscher …

Eckart Spoo
Menschen mit Migrationshintergrund, so wird in politischen Debatten immer wieder verlangt, müssen die Bereitschaft und den Willen aufbringen, sich in die deutsche Gesellschaft zu in­tegrieren. Am Integrationswillen des jungen Hannoveraners Aram Ali war nicht zu zweifeln. Dennoch lehnte die hannoveraner Stadtverwaltung seine Einbürgerung ab – mit Verweis auf „Bedenken“ des Landesamtes für Verfassungsschutz.

Wie der Verfassungsschutz Einbürgerungen behindert

Menschen mit Migrationshintergrund, so wird in politischen Debatten immer wieder verlangt, müssen die Bereitschaft und den Willen aufbringen, sich in die deutsche Gesellschaft zu in­tegrieren. Am Integrationswillen des jungen Hannoveraners Aram Ali ist nicht zu zweifeln: Die Schülervertretungen der hannoverischen Gymnasien haben ihn als ihren Sprecher in den niedersächsischen Landesschülerrat gewählt. Doch die hannoverische Stadtverwaltung, Fachbereich Recht und Ord­nung, lehnte seinen Antrag auf Einbürgerung ab. In der Be­gründung stand, Ali sei Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), die erklärtermaßen darauf hinarbeite, dass »sozialistische Auffassungen unter der Jugend Verbreitung finden«. So liege »die Schlussfolgerung nahe, dass Sie die Ziele der SDAJ auch im Landesschülerrat Niedersachsen verfolgen«, musste sich Ali im Ablehnungsbescheid vorhalten lassen.

Im Einbürgerungsverfahren hatte er sich schriftlich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grund­gesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekannt und ver­sichert, dass er keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze beziehungsweise verfolgt oder unterstützt habe, die gegen diese Grundordnung verstoßen. Die Behörde aber akzeptierte diese Erklärungen nicht und teilte dem Antragsteller mit, das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz habe Sicherheits­bedenken erhoben, denn wegen »Unterstützungshandlungen« für die SDAJ ließen sich »tatsächliche Anhaltspunkte begründen, die die Annahme rechtfertigen, dass Sie Bestrebungen ver­folgen oder unterstützen, die gegen die freiheitliche demokrati­sche Grundordnung gerichtet sind«.

Außer der Mitgliedschaft in der seit 1968 bestehenden Ju­gendorganisation (die sich in ihrer Satzung ebenfalls zu dieser Grundordnung bekennt) nannte die Behörde noch zwei kon­krete »Unterstützungshandlungen«:

•          Zum einen habe Ali eine Petition gegen das Verbot der Kom­munistischen Jugend Tschechiens (KSM) unterschrieben. Das Prager Innenministerium habe den Verband mit der Be­gründung aufgelöst, dass er es laut Programm für notwendig erachte, das Privateigentum an Produktionsmitteln durch kollektives Eigentum zu ersetzen. Mit seiner Unterschrift habe sich Ali »öffentlichkeitswirksam für die o.g. kommu­nistischen Belange eingesetzt, die im Widerspruch zu denen der Bundesrepublik Deutschland stehen«.

•          Zum anderen sei Ali Mitorganisator einer Protestaktion des »Bündnis gegen Rechts« gewesen, die sich gegen Rassismus, Nazismus und rechte Gewalt in Hannover-Misburg« gerich­tet habe. »Das breite Bündnis hatte sich«, wie das hannove­rische Amt für Recht und Ordnung zutreffend erwähnte, »zusammengeschlossen, nachdem es mehrfach zu gewalt­samen Übergriffen von Neonazis auf Jugendliche in diesem Stadtteil gekommen war«. Ali als Mitorganisator habe erklärt, »dass man gemeinsam ein Zeichen gegen Intoleranz und fehlende Zivilcourage setzen wolle«.

 

Hätten die Behörden – die städtische und die staatliche – sol­ches Engagement nicht besonders begrüßen sollen? Stattdessen machten sie es dem Antragsteller ohne weitere Begründung zum Vorwurf. Das Amt für Recht und Ordnung ließ Ali nur eine Wahl: seinen Antrag selber zurückzunehmen, dann seien die von ihm zu tragenden Verfahrenskosten geringer, oder einen endgültigen Ablehnungsbescheid zu erhalten und dann eine höhere Summe zahlen zu müssen.

Der Fall erregte Aufsehen und löste auch im niedersächsi­schen Landtag Debatten aus – vor allem im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Fall Janine Hamilton. Da hatte die nie­dersächsische Verfassungsschutzbehörde Einspruch gegen die Einbürgerung erhoben, weil die Antragstellerin Mitglied der Partei Die Linke ist. Deren Landtagsfraktion setzte sich ener­gisch für sie ein, und die Auseinandersetzungen führten dann zu einem Meinungswechsel bei der sozialdemokratisch geführten Kommunalverwaltung. Der christdemokratische Innenminister Uwe Schünemann, Vorgesetzter der Verfassungsschutzbehörde, hätte die Kommunalverwaltung per Anweisung verpflichten können, beide Anträge endgültig abzulehnen, worauf er aber schließlich angesichts des starken Widerstands in der Öffent­lichkeit verzichtete.

Der in Syrien geborene Arain Ali, dessen Vater in Deutsch­land Zuflucht gefunden hatte, weil er in seinem Heimatland als Mitglied einer Menschenrechtsorganisation verfolgt wor­den war, ist inzwischen ebenso wie Janine Hamilton deutscher Staatsbürger geworden. Aber das Verfassungsschutzamt hat seine Grundposition nicht aufgegeben, die sich auf die kurze Formel bringen lässt: Wer Deutscher werden will, muss dem Sozialismus abschwören – obwohl Artikel 15 GG die Überfüh­rung von Produktionsmitteln in Gemeineigentum ausdrücklich vorsieht.

 

aus: Grundrechte-Report 2011 , S.176-178

2 Gedanken über “Entweder Sozialist oder Deutscher …

  1. Nevio-Kollman

    Wenn ich auf „unterschreiben“ klicke, sind da 4 Zeilen zum ausfüllen und ein Häkchen zu setzen, aber es ist mir vollkommen unklar was in welche Zeile eingetragen werden soll.
    Meiner Meinung nach fehlen bei dem Formular die Beschriftungen für die Felder.
    Ich habe es jetzt mit 2 verschiedenen Browsern ausprobiert (Opera, Firefox) und bei beiden tritt das Problem auf.

    1. sv

      Herzlichen Dank für Ihren Hinweis und die (potenzielle) Unterstützung unserer Initiative. Die Ursache für den Fehler im Popup-Formular konnten wir leider noch nicht beheben, daher ist das Formular erst einmal deaktiviert. Auf der Seite des Aufrufs finden Sie allerdings ein vollständiges Formular, das Sie gern verwenden können: http://www.verfassung-schuetzen.de/?page_id=10.

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