Innenpolitiker der Länder lehnen Task Force zur Kontrolle des Inlandsgeheimdienstes ab

In zwölf Bundesländern haben inzwischen Abgeordnete der Innenausschüsse und Innenminister/innen auf Briefe von Mitgliedern der Humanistischen Union reagiert. Wir forderten die Innenpolitiker/innen dazu auf, unabhängige Kommissionen mit der Prüfung der Personendaten in den Landesämtern für Verfassungsschutz zu betrauen. Darüber hinaus sollte eine regelmäßige, unabhängige und externe Kontrolle der beim Verfassungsschutz gespeicherten Daten gewährleistet sein. Ihre Ergbnisse sollen in öffenlichen Berichten dargestellt werden. Hintergrund unserer Forderungen sind die Ergbnisse einer „Task Force“ in Niedersachsen. Sie fand beim niedersächsischen Geheimdienst rund 3.500 illegal gespeicherte Personendaten.

Bild: Anabal Carrión / flickr

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Die meisten Entscheidungsträger/innen weisen die Notwendigkeit einer Task Force in ihrem Bundesland von sich. In Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin und Hamburg sei nach der Aussage von Innenministerien oder Innenpolitiker/innen die Kontrolle durch eine unabhängige Kommission nicht nötig. Nur weil in Niedersachsen tausendfach illegal Daten gespeichert worden seien – von gegen Atomkraft oder Rassismus engagierte Bürger/innen, von Minderjährigen und Besucher/innen des Freitagsgebets in Moscheen – sei das nicht auf andere Länder übertragbar. Die Gesetzeslage sei klar und die Kontrolle funktioniere. Der frühere Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Rechtsanwalt Dr. Till Müller-Heidelberg, meint dazu:

„Das ist eine Bankrotterklärung der Innenpolitiker und eine Verweigerung ihrer parlamentarischen und verwaltungsmäßigen Kontrollpflicht. Denn selbstverständlich gab es auch in Niedersachsen eine klare Gesetzeslage und eine vermeintlich funktionierende Kontrolle. Nur zum Entsetzen auch des bis dahin gutgläubigen niedersächsischen Innenministers zeigte sich, dass die „klare Gesetzeslage und funktionierende Kontrolle“ eben nicht verhindert hatten, dass 40 Prozent der gespeicherten Personendatensätze illegal gespeichert waren.“

Die positiven Ausnahmen: Eine Task Force zur umfassenden Prüfung aller personenbezogenen Daten beim Landesamt für Verfassungsschutz können sich Innenpolitiker der LINKEN in Sachsen (Rico Gebhardt) und Mecklenburg-Vorpommern (Peter Ritter) sowie der SPD in Sachsen (Sabine Friedel) vorstellen. Auch die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern wollten sich für eine Kontrolle einsetzen. In NRW haben die Piraten einen Antrag auf eine Task Force gestellt, der abgelehnt wurde (zum Antrag). In Bremen hatte Innensenator Mäurer nach den Ergebnissen aus Niedersachsen eine Projektgruppe zur Überprüfung der Speicherpraxis eingesetzt, die bis Ende 2014 Ergebnisse vorlegen will. Der bayerische SPD-Abgeordnete Prof. Dr. Peter Paul Gantzer „hätte im Sinne der Transparenz nichts dagegen, wenn auch in Bayern eine Task Force tätig werden würde.“ Hier werden die HU-Aktiven nachhaken.

Am interessantesten ist die Situation in Sachsen. Das Innenministerium hält eine Kontrollkommission nicht für nötig, da die Datenbestände bereits 2013 im Rahmen der Umsetzung der Empfehlungen einer Expertenkommission überprüft wurden. Abgeordnete der LINKEN und der SPD hingegen zeigen sich offen für eine verstärkte externe Kontrolle. Die SPD sieht Reformbedarf beim sächsischen Verfassungsschutz. Die LINKE möchte ihn mittelfristig abschaffen. Als neuen Koalitionspartner der CDU nach der Landtagswahl können wir die SPD an ihre Worte erinnern. Die LINKE als stärkste Oppositionspartei muss das Thema Geheimdienste weiter in die Debatte einbringen.

Fotograf: Tobias Koch www.tobiaskoch.net
In Berlin antwortet uns Innenminister Frank Henkel persönlich. Er beteuert, dass eine umfassendere Kontrolle nicht nötig sei. Von den knapp 3.000 gespeicherten Personendaten im Berliner Verfassungsschutzamt seien nur 5 Minderjährige, obwohl anders als in Niedersachsen in Berlin auch Minderjährige ohne Gewaltbezug gespeichert werden könnten. Das überzeugt uns wenig. Nach den Ergebnissen der niedersächsischen Task Force habe der Berliner Geheimdienst Stichproben seiner eigenen Daten intern überprüfen lassen. Der Geheimdienst prüft sich selbst und dann nur mit Stichproben? Die Überzeugung schwindet weiter. Anders der Berliner Abgeordnete Tom Schreiber, SPD. Er findet die Antworten Henkels auf seine Schriftliche Anfrage zur Speicherung von Personendaten beim Verfassungsschutz ausreichend. Eine regelmäßige unabhängige Kontrolle fände druch den Berliner Datenschutzbeauftragten statt, schreibt er uns in seinem Brief. Wir schauen uns die Antwort auf die Schriftliche Anfrage genauer an:

„Daneben finden regelmäßige Einzelfallüberprüfungen durch den behördlichen Datenschutzbeauftragten und den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit im Rahmen der Überprüfung von Auskunftsersuchen nach § 31 VSG Bln statt.“ (Antwort des Innensenators auf die Schriftliche Anfrage)

Da schrumpft die externe Kontrolle in sich zusammen: Der externe Datenschutzbauftragte überprüft nicht regelmäßig die gesamte Datenbasis. Sondern nur, wenn Bürger/innen Auskunft über ihre Daten verlangen, prüft der Datenschutzbauftragte dies an Einzelfällen. Wir können den Datenschutzbeauftragten in Berlin also nur zum Kontrollieren des Geheimdienstes bringen, indem wir selbst Anfragen auf Datenauskunft stellen?
Auch die Innenministerien von Brandenburg und Sachsen-Anhalt legen uns Bürger/innen nahe, die Geheimdienste selbst zu kontrollieren. Abgeordnete der Grünen in NRW wären über Hinweise zu illegal gespeicherten Fällen dankbar. So schreibt uns das Brandenburgische Innenministerium:

„Die von Ihnen angeregte unabhängige Kontrolle des Verfassungsschutzes ist bereits gegenwärtig in unterschiedlichen Formen möglich und wird auch wahrgenommen. So kann jede Bürgerin und jeder Bürger nach § 12 Absatz 1 Auskunft über die zur Person gespeicherten Daten verlangen. Hiervon wurde und wird rege Gebrauch gemacht. Sollte eine Auskunft aus Gründen des Geheimschutzes nicht erteilt werden können (vgl. §12 Absatz 2), kann sich der Petent an die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht des Landes Brandenburg wenden und die Rechtmäßigkeit der Speicherung seiner personenbezogenen Daten überprüfen lassen (§ 12 Absatz 3).“

Hier tritt der Staat seine Pflicht zum Datenschutz und zur Kontrolle der Geheimdienste an die Bürger ab. Wenn ich eine Behörde der illegalen Speicherpraxis überführen soll, anstatt dass sie ihr legales Handeln unter Beweis stellen muss, ist das eine Umkehr der Beweislast. Außerdem kann der Geheimdienst die Auskunft über meine Daten jederzeit verweigern. Die Kontrolle einer so mächtigen Behörde ist und bleibt Staatsaufgabe.

Aber wenn die Kontrolleure zum Jagen getragen werden wollen, werden wir eben nachhelfen: Ab jetzt werden wir aktuelle Fälle widerrechtlicher Speicherungen sammeln und sie den Kontrollgremien vorlegen. Außerdem werden wir der Aufforderung der Innenministerien folgen und bei den Geheimdiensten nachfragen, ob sie unsere Daten gespeichert haben. Melden Sie sich bei uns unter kampagne@humanistische-union.de, wenn Sie einen Antrag auf Datenauskunft stellen wollen. Oder wenn Sie eine unbefriedigende Antwort vom Verfassungsschutz auf Ihre Anfrage hin erhalten haben.

Unsere Pressemitteilung vom 22.10.2014

Ein Gedanke zu “Innenpolitiker der Länder lehnen Task Force zur Kontrolle des Inlandsgeheimdienstes ab

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