Blackbox-VS ergänzt das „fehlende“ Kapitel im Verfassungsschutzbericht 2014

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Die Naturfreunde Berlin haben mit einer Satire ihrer Kampagne Blackbox Verfassungsschutz das „fehlende“ Kapitel des von Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am 30. Juni in Berlin vorgestellten Verfassungsschutzberichts für 2014 ergänzt und freundlicherweise der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Da der Abschnitt zu demokratiegefährdenden Tendenzen des deutschen Inlandsgeheimdienstes es selbst nicht mehr in den Druck geschafft hat, wurde dieser nun nachgereicht. Auf über 40 Seiten werden die (Un-)Taten des Inlandsgeheimdienstes dokumentiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Dienstes. Damit schließt sich eine große Lücke in dem bereits von der Regierung veröffentlichten Teilstück des Verfassungsschutzberichts.

Hier können Sie das „Fehlende Kapitel des Verfassungsschutzberichts“ nachlesen.

Die Ergänzung des Verfassungsschutzberichts durch die Kampagne Blackbox-Verfassungsschutz ist eine gelungene Satire, die auf vielen Fakten und Verweisen auf öffentlich zugängliche Quellen basiert. In Nachahmung der Sprechweise der realen Verfassungsschutzberichte schaffen es die Autoren, ein mit Fakten hinterlegtes Bild des Geheimdienstes als verfassungsfeindlicher Organisation zu zeichnen. Die Deutungshoheit des „Verfassungsschutzes“, Organisationen des öffentlichen Lebens wie etwa die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ in ihren Verfassungsschutzberichten als verfassungsfeindlich zu brandmarken, wird umgekehrt, und der „Verfassungsschutz“ selbst hält dem kritischen Blick der Autoren nicht stand. Das freut besonders Kampagnen wie „ausgeschnüffelt“, da wir selbst mit guten Argumenten für die Abschaffung des „Verfassungsschutzes“ streiten.

Zum Inhalt:

Aufbau des „Verfassungsschutzes“
Der „Verfassungsschutz“ teilt sich in 16 Chapter und ein „Bundesamt für Verfassungsschutz“ auf. An ihren Spitzen steht jeweils ein Präsident. Durch diesen stark hierarchischen Aufbau schützt sich der Inlandsgeheimdienst vor parlamentarischer Kontrolle und vor Reformen. Der Bericht der Naturfreunde stellt bei diesem Aufbau fest, dass das Problem ein strukturelles ist. Der Präsident kann beliebig ausgetauscht werden, die gefahrene Linie bleibt immer gleich. „Sollte es, wie im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex zu schweren Vorwürfen gegen die Organisation kommen, wird dieser „Präsident“ einfach ausgetauscht. Dieser formelle Austausch einer Funktionsstelle ermöglicht, dass bei minimalem Schaden für die Gesamtorganisation die bisherige Tätigkeit weitergeführt werden kann.“ (Seite 8)

Verfassungsfeindlich?
Der Bericht stellt weiter fest, dass die Verfassung diese Einrichtung in ihrer aktuellen Ausgestaltung so gar nicht kennt oder vorsieht:
„Nach Art. 87 GG kann der Bund eine „Zentralstelle […] zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden“, beauftragten. Die sich als „Verfassungsschutz“ bezeichnenden Gruppierungen haben sich weitreichende Befugnisse angeeignet, die über den verfassungsrechtlichen Auftrag zur Sammlung und Auswertung von Informationen hinausgehen und in erheblichem Konflikt mit verfassungsmäßig garantierten Grundrechten stehen. Schließlich sammeln diese nicht nur Informationen und werten sie aus, sondern führen V-Leute, decken und finanzieren jedenfalls teilweise deren Straftaten, observieren und nutzen Taktiken der Tarnung
und Verschleierung.“
(Seite 12)

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Anschließend wird die strategische Ausrichtung des „Verfassungsschutzes“ dargestellt. Angefangen ab der Gründung des Dienstes bis zum Beginn der 90er Jahre, ein weiterer Abschnitt umfasst die Zeit der deutschen Einheit und die damit einhergehenden neuen Herausforderungen.

Schulhofpropaganda des Geheimdienstes
In diesem Kapitel wird außerdem die Bildungsarbeit und Schulhofpropaganda dargestellt. Dabei wird deutlich, dass sich der „Verfassungsschutz“ ähnlichen Mitteln bedient, wie andere verfassungsfeindliche Organisationen: „…mit offensichtlich von der NPD-Schulhof-CD inspirierten Angeboten ebendiesen zu erobern. In Nordrhein-Westfalen versuchen die Geheimdienste durch einen Comic mit dem Titel „Andi“ plump Formate der Jugendliteratur nachzuahmen und für ihre Zwecke zu missbrauchen.“(Seite 18)

Die „Bildungsarbeit“ an Schulen sieht der Bericht so kritisch wie wir.

Der „Verfassungsschutz“ leite seine Legitimation außerdem aus der sogenannten (pseudo-)wissenschaftlichen „Extremismustheorie“ ab. „In den Gesellschaftswissenschaften, insbesondere in der Rechtsextremismusforschung, wird die „Extremismustheorie” daher weitgehend als unwissenschaftlich und politisch motiviert abgelehnt.“ (Seite 20) Daher muss der Dienst, um seine Theorie zu Bestätigen und seine Legitimation zu begründen auf eine ihm nahestehende oder sogar angehörende Minderheit von „Experten“ zurückgreifen.

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Verharmlosung des Rechtsextremismus
Einen weiteren Schwerpunkt setzt der Bericht auf die Verharmlosung des Rechtsextremismus. Die einzelnen Verfassungsschutzberichte der Länder aus den letzten Jahren werden untersucht und die darin enthaltenen Vermerke zum Rechtsextremismus mit der durch den NSU-Untersuchungsausschuss aufgedeckten Wahrheiten verglichen. Eine für den „Verfassungsschutz“ vernichtende Gegenüberstellung.

Aufbau der rechtsextremen Szene durch V-Leute
Auch das V-Mann-Wesen wird eingehend kritisiert. Der „Verfassungsschutz“ hat die rechtsextreme Szene maßgeblich mit aufgebaut und Aktionen durch V-Leute mitorganisiert. Das sieht das Bundeskriminalamt wohl ähnlich. Die Autoren zitieren ein internes Papier, nach dem es fraglich sei „ob diese Aktionen ohne deren Beteiligung stattgefunden hätten. Das BKA meldete im Berichtszeitraum, dass Aktivitäten von V-Leuten verantwortlich für die Behinderung von Polizeimaßnahmen waren und eine als „Brandstiftereffekt“ bezeichnete Begünstigung von Straftaten bewirkten. V-Personen des sogenannten „Verfassungsschutzes“ haben durch ihre Arbeit Veranstaltungsformate erfunden
und organisiert, in deren Umfeld es zu einem statistisch signifikanten Anstieg z. B. Von antisemitischen Straftaten kam. Bei V-Personen des sogenannten „Verfassungsschutzes“ konnte
zudem der Eindruck entstehen, „unter dem Schutz des „Verfassungsschutzes“ im Sinne ihrer Ideologie ungestraft handeln zu können und die Exekutive nicht ernst nehmen zu müssen.“
(Seite 26)

Handlungsempfehlungen
Zum Schluss werden noch einige Handlungsempfehlungen gegeben. Sofortige Maßnahmen können das Beenden der V-Leute Praxis sein. Die derzeitigen Mitglieder des „Verfassungsschutzes“ könnten durch diverse Umschulungen wieder in die Gesellschaft integriert werden. V-Mann-Führer wie Gordian Meyer-Plath könnten ihre im Dienst erlernten Fähigkeiten als Fahrer für V-Leute anschließend sinnvoll nutzen, um als Chauffeur oder Busfahrer zu arbeiten. Den ehemaligen PostbeamtInnen sollte aber eine Rückkehr in ihren Beruf verwehrt bleiben. „Allzu groß wäre die Gefahr des Rückfalls in automatisierte Schredderbewegungen. Die erlernten Fähigkeiten dürften allerdings im Garten- und Landschaftsbau sowie in Recyclingbetrieben sinnvolle Einsatzgebiete finden.“ (Seite 41)

Dem Fazit der Autoren können wir uns voll und ganz anschließen: „Ein unverzügliches Verbotsverfahren gegen die „Verfassungsschutz”genannten Gruppierungen ist angeraten, um weiteren Ausbau und Festigung dieser Strukturen zu unterbinden.“ (Seite 41)

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Der Satirebericht ist eine gelungene Darstellung des „Verfassungsschutzes“ und ist jedem zu empfehlen, der sich mit dem Thema Verfassungsschutz, Geheimdienste oder dem NSU-Skandal beschäftigt oder Interesse daran hat. Mediale Erwähnung fand die Performance der Naturfreunde vor dem Haus der Bundespressekonferenz unter anderem in der taz am 30.06.15, neues deutschland am 01.07.15, junge Welt am 01.07.15, sowie in diversen Blogs.

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