Wie tief ist der Verfassungsschutz in das Umfeld des NSU verstrickt? Einen Einblick könnte der NSU-Prozess in München liefern. Denn dort sind diese Woche wieder Verfassungsschutz-Beamte als Zeugen geladen. Wir von der Kampagne „Verfassungsschutz abschaffen!“ werden morgen nach München fahren und am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht unsere Forderungen mit einer öffentlichen Bildaktion bekräftigen.
Geladen ist der damalige hessische Geheimdienstchef Lutz Irrgang und ein weiter Mitarbeiter. Beide sollen von dem damaligen Verfassungsschutz-Beamten Andreas Temme mehr Informationen erhalten haben, als dieser bis heute vor Polizei und Gerichten ausgesgt hat. Temme ist der Mann, der während des Mordes an Halit Yozgat am 6. April 2006 in dessen Internetcafé surfte. Er will von dem wenige Meter von ihm entfernten Mord nichts gehört und nicht gesehen haben. Prozessbeobachter erwarten allerdings keine großen Erkenntnisgewinne. Temme und Irrgang hätten schon beim NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags nicht ausgesagt: „Diesen Umgang des Verfassungsschutzes mit der Wahrheit und den fehlenden Willen zur Aufklärung kennt man nicht nur aus dem hiesigen Prozess, sondern auch aus anderen Verfahren“, meint dazu der Anwalt und Nebenkläger Peer Stolle.
Andreas Temme im Gerichtssaal – Getty Image
Brisant ist, dass vor Kurzem ein Gesprächsprotokoll gefunden wurde, nach dem sich Temme in einem Gespräch mit dem damaligen Präsidenten des hessischen Verfassungsschutzes, Lutz Irrgang, „nicht so restriktiv“ geäußert haben soll wie bei der Polizei. Wegen des Tatverdachts von Herrn Temme hing nämlich die Polizei damals mit in der Leitung, als Temme mit einem Mitarbeiter darüber telefonierte. Das Protokoll haben Nebenkläger*innen in Karlsruhe in der Bundesanwaltschaft gefunden. Die Nebenkläger*innen kritisieren nun, dass diese wichtigen Informationen nicht längst von der Staatsanwaltschaft selber eingebracht wurden. Den Nebenkläger*innen wird der Zugang zu den Informationen erschwert, indem ihnen z.B. das Kopieren der Akten verboten ist.
Womit können wir in den Prozesstagen morgen und übermorgen rechnen? Mit einer Aussage von Andreas Temme wohl kaum, jedenfalls ist er auch im Untersuchungsausschuss des Bundestags bei seiner Variante des Geschehens geblieben. Ob ausgerechnet Lutz Irrgang verraten wird, was Temme wirklich erzählt hat, ist ebenfalls fraglich. Er war genau wie Temme am 12. September 2012 in Berlin als Zeuge geladen und legte laut Medienberichten damals den arrogantesten Aufritt aller Zeugen hin, ohne inhaltich etwas beizutragen. Medien berichten, dass der selbe Lutz Irrgang bei einem Treffen mit der Kasseler Polizei gesagt haben soll: „Selbst wenn da ein Toter liegt und ein Verfassungsschützer daneben, bekommt ihr keine Infos von uns.“ Wenn das das einzige ist, wozu der Verfassungsschutz fähig ist: Straftäter schützen, Morde vertuschen und Akten schreddern – dann fordern wir umso stärker, diese unsäglich undemokratische und gefährliche Behörde endlich abzuschaffen.
Das ZDF Heute journal brachte Ende Januar 2014 zur ersten Vernahme des Verfassungsschutz-Beamten Temme einen sehenswerten Bericht (3:46 min):
ZDF Heute journal: NSU-Prozess: Gericht vernimmt V-Mann-Führer Temme
Pingback: Kampagne der Humanistischen Union informiert: N...