Verfassungswidriges Anti-Terror-Datei-Gesetz stoppen!

Heute liegt auf den Schreibtischen aller Mitglieder des Innenausschusses des Bundestags unser Brief zum Anti-Terror-Datei-Gesetz. Kurz vor der Abstimmung des Innenausschusses am kommenden Mittwoch fordern wir die Abgeordneten dazu auf, gegen die Gesetzesnovelle der Bundesregierung zu stimmen. Hier können Sie die Briefvorlage lesen.

Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Damit Geheimpolizeien wie Stasi und Gestapo für immer Vergangenheit bleiben, gilt in Deutschland, dass Polizei und Geheimdienste gestrennt arbeiten sollen. Außerdem haben Geheimdienste keine polizeilichen Befugnisse, wie jemanden festzunehmen, Dinge zu beschlagnahmen und Wohnungen zu durchsuchen. Das Anti-Terror-Datei-Gesetz weicht diesen Grundsatz entscheidend auf: über Terrorverdächtige und deren Kontaktpersonen gibt es seit 2006 Dateien, die von Geheimdiensten und Polizeien gemeinsam genutzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2013 Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber bis Ende diesen Jahres eine Frist zur Neuordnung gegeben.

Was der Innenausschuss am Mittwoch aller Voraussicht nach beschließen wird, ist allerdings eine Neuauflage eines verfassungswidrigen Anti-Terror-Datei-Gesetzes, sollte die Große Koalition dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zustimmen. Fordern Sie jetzt von Ihren Abgeordneten, das verfassungswidrige Gesetz zu stoppen. Der Innenausschuss hat die Abstimmung auf Mittwoch, den 16. Oktober verschoben. Unterzeichnen Sie unsere Petition!

Unsere Forderungen an die Abgeordneten des Innenausschusses:

– Die Geheimdienste sollen Informationen und Daten über Personen nur dann an die Polizeien weitergeben, wenn sie damit reale Gefahren für Leib und Leben abwenden können. Dafür braucht es kein Datenpool.
– Keine erweiterte Datennutzung: Die Polizei darf die Daten nicht für ihre operativen Aufgaben verwenden und umgekehrt. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten darf nicht ausgehöhlt werden. Auch für den im Gesetzesvorschlag genannten „Eilfall“darf keine Ausnahme gemacht werden.
– In den Dateien (ATD und RED) dürfen keine „Befürworter“ und „Kontaktpersonen“ gespeichert werden. Die Gefahr, dass Unbeteiligte in die polizeiliche Strafverfolgung geraten, ist viel zu hoch.

In unserem Brief an die Abgeordneten erläutert die Verfassungsrechtlerin Rosemarie Will, Mitglied des Bundesvorstands der Humanistischen Union, in welchen Punkten die Gesetzesnovelle verfassungswidrig ist:

„Vor allem folgende Punkte aus der vorliegenden Gesetzesnovelle genügen unserer Meinung nach nicht den Anforderungen des Grundgesetzes:

1. Die Einspeisung der Daten in die Datei richtet sich nach den Übermittlungsvorschriften der jeweiligen Fachgesetze. Dass diese Übermittlungsvorschriften nicht den Anforderungen entsprechen, wie sie sich aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ergeben, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum ATDG klar ausgesprochen. Bezüglich der Zweckänderungen, die durch die Datenübermittlung bewirkt werden, wurde ausdrücklich im Urteil zum ATDG festgestellt, dass Datenübermittlungen zwischen Nachrichtendiensten und der Polizei „sich nicht mit vergleichbaren niederschwelligen Voraussetzungen wie der Erforderlichkeit für die Aufgabenwahrnehmung oder der Wahrung der öffentlichen Sicherheit“ begnügen dürfen (Rdnr.126). Genau das aber machen die Übermittlungsvorschriften (vgl. insbesondere die Regelung in Paragraph 19 Abs. 1 BVerfSchG). Dem Gesetzgeber wurde deshalb eine großzügige Frist eingeräumt, um ihm zu ermöglichen „zu prüfen, ob er im Zusammenhang mit der Neuregelung des Antiterrordateigesetzes auch eine Überarbeitung von Bestimmungen anderer Gesetze, …eventuell von Datenübermittlungsvorschriften einzelner Sicherheitsbehörden für angezeigt hält und diese möglicherweise hiermit verbinden will“ (vgl. Rdnr. 232).

Statt diesen Geburtsfehler der Datei zu beheben, setzt die Novelle der Bundesregierung weiterhin auf diese verfassungswidrigen Normen. Die Humanistische Union hat in diesem Sinne zu der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerde (1 BvR 2354/13) zu den §§ 19, 20 Bundesverfassungsschutzgesetz Stellung genommen. Es wäre beschämend, wenn Sie sich Ihrer verfassungspolitischen Verantwortung für die Übermittlungsvorschriften, soweit sie in den Bundesgesetzen geregelt sind, in diesem Gesetzgebungsverfahren nicht stellten. Wegen der Verfassungswidrigkeit der fachgesetzlichen Übermittlungsvorschriften dürfte die Datei nicht betrieben werden.

2. Statt die Vorgaben aus dem Urteil des Verfassungsgerichtes vollständig umzusetzen, was die Bundesregierung nur unvollständig tut, soll die Datennutzung mithilfe der Datei erweitert werden. Mit § 6a ATDG- E und §7 REDG- E würden Sie eine solche erweiterte Datennutzung ermöglichen. In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht schon die Inverssuche (Rdnr. 199f) ausdrücklich für verfassungswidrig erklärt. Es hat darüber hinaus das ATDG nur deswegen für grundsätzlich verfassungsmäßig gehalten, weil die Datei nur als ein Instrument der Informationsanbahnung wirken soll ( Vgl. Leitsatz 1). Mit der Erweiterung der Recherchemöglichkeiten in der Datei, wie sie jetzt vorgesehen sind, wird diese rote Linie überschritten. Die vorgeschlagenen Regelungen lassen
komplexe technische Auswertungen durch eine teilnehmende Behörde aus den gespeicherten Daten zu. Sie sollen offensichtlich der Gewinnung neuer Informationen dienen. Solche eigenständigen Recherchen in den gesammelten Daten gehen eindeutig über die zugelassene Informationsanbahnung hinaus. Sie sind bereits Teil der operativen Tätigkeit der recherchierenden und abrufenden Behörde. Die nun vorgesehene erweiterte Dateinutzung übersteigt auch die Reichweite der Zugriffsbefugnis bei der Eilfallermächtigung in §5 Abs. 2 ATDG.

3. Sie besitzen als Bundesgesetzgeber auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes keine Gesetzgebungskompetenz dafür, die Verwendung der Daten von BND, MAD und Zollkriminalamt durch die Landesbehörden des Verfassungsschutzes und der Polizei zu regeln. Ausdrücklich heißt es im Urteil, auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und 5 GG lasse sich keine Regelung stützen, die es den anderen an der Antiterrordatei beteiligten Behörden unmittelbar erlaube, die von diesen Bundesbehörden eingestellten Daten abzurufen (Vgl. Rdnr. 103). Bisher war eine solche Regelung im ATDG auch nicht enthalten. Der Datenzugriff setzte nach § 5 Abs. 1 und 2 ATDG seitens der jeweils Zugriff nehmenden Behörden eigene Datenerhebungsvorschriften voraus, gegebenenfalls auf Landesebene.
Wenn die Novelle die Recherche in den Daten erlaubt, überschreiten Sie eindeutig ihre Gesetzgebungskompetenz. Das ist insbesondere bei solchen Daten der Fall, die von BND und MAD eingestellt wurden. Zudem erweitern Sie die Befugnisnormen der Landesbehörden im Umgang mit diesen Daten weit in das Vorfeld der Bekämpfung von Gefahren und Straftaten hinein. Sie können als Bundesgesetzgeber die Verwendung der von BND und MAD eingespeisten Daten durch die Landesbehörden nur insoweit gestatten, als der Landesgesetzgeber dies vorsieht. Die Blankovollmacht, die Sie mit der erweiterten Datennutzung erteilen, muss deshalb gestrichen werden und durch einen Verweis auf die entsprechenden Erhebungs- und Verwendungsbefugnisse der Landesbehörden ersetzt werden.

Wir fordern Sie auf, sich nicht mit einer unvollständigen Umsetzung der Vorgaben des Verfassungsgerichtes zu begnügen. Probieren Sie nicht aus, inwieweit man die Grenzen der Verfassung ungestraft überschreiten kann. Seien Sie sich bewusst, dass Sie sich mit dieser Novellierung auf dem Weg der Vernetzung aller Behörden unabhängig von ihrer fachlichen und regionalen Zuständigkeit befinden. Damit lassen Sie das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung leerlaufen und hebeln die rechtsstaatliche Kompetenzordnung des Grundgesetzes aus.“

Helfen Sie mit, das verfassungswidrige Gesetz noch zu stoppen. Unterzeichnen Sie unsere Petition! Da der Innenausschuss die Entscheidung vom 9. Oktober auf den 15. Oktober vertagt hat, können Sie bis dahin die Petition unterzeichnen.

Sie haben schon unterzeichnet? Dann verbreiten Sie die Petition an Freunde und Bekannte!

Unser Brief an die Mitglieder des Innenausschusses

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